AUF DEN STRASSEN VON INDIEN UND KAMBODSCHA
Durch Farben bekommt Greg Mo ein Gefühl für einen Ort, für eine Atmosphäre. Anstatt die üblichen Klischees zu liefern, möchte Greg Mo, dass seine Bilder überraschen. Die komplexen Kompositionen und Kontraste sind fesselnd, sie wecken die Sinne und die Emotionen.
Ihre Bilder sind ein Farbenrausch, was bedeutet Farbe für Sie?
Generell bevorzuge ich Farbfotografie, da sie mir mehr Empfindungen vermittelt. Farben ziehen mich an. Es ist physisch. Für mich sind Farben eine Möglichkeit, Atmosphären und Orte zu fühlen. Farbe ist eine wesentliche Struktur meiner Kompositionen; dieselben Bilder in Schwarz-Weiß würden nicht funktionieren, sie hätten nicht denselben psychologischen Effekt.
Was können uns Farben in Fotografien erzählen?
Indien hat leuchtende Farben, während Kambodscha mattere, neutralere und weniger auffällige Töne hat als in Indien. Die Farben sind eine ergänzende Beschreibung. Jedes Land hat seine eigene Farbpalette, die die Stimmung eines Ortes, die Identität einer Kultur und einer Region beschreibt.
Ihre Aufnahmen zeigen Situationen, die Ihnen auf der Straße begegnen. Wie finden Sie Ihre Motive?
Mir gefällt die Idee, nichts vorzubereiten und während des Spazierengehens zu fotografieren. Es ist eine gute Ausrede, um Stadtviertel zu entdecken, die ich ohne Fotografie nie aufgesucht hätte. Es gibt bestimmte Orte, Objekte oder Linien, die mich ganz von selbst anziehen. Manchmal entdecke ich ein Detail und versuche, zu einem späteren Zeitpunkt dorthin zurückzukehren, in der Hoffnung, dass dann eine neue Bewegung oder besseres Licht die gewünschte Dynamik erzeugt. Allerdings mag ich es nicht, mehrmals an denselben Ort zurückzukommen. Das gibt mir ein Déjà-vu-Gefühl, das mich nicht anspricht. Ich fotografiere also völlig intuitiv und lasse dem Gefühl eines bestimmten Moments freien Lauf. Ich weiß eigentlich nicht, wonach ich suche; ich verlasse mich auf die Überraschung des Augenblicks und fotografiere spontan, wenn ich ihn finde; die Auswahl erfolgt später, wenn ich die Fotos zu Hause sichte.
Was ist der Antrieb hinter Ihrer Arbeit?
Ich versuche, Orte auf eine andere Weise zu fotografieren: um zu überraschen und um gegen Klischees und allzu leicht zugängliche Bilder anzugehen. Ich streife umher auf der Suche nach der verborgenen Ebene, der merkwürdigen Begegnung; und später, wenn ich meine Bilder betrachte, entdecke ich das, was auf den ersten Blick zu funktionieren scheint. Ob das so bleibt und das Bild wirklich gut ist, wird sich erst mit der Zeit herausstellen.
Ihre Bilder zeichnen sich durch eine poetische Komposition von Motiven mit Licht, Schatten und Reflexionen aus …
Bestimmte Farben, Lichter und Formen, bestimmte Orte ziehen mich an. Aber unbewusst fotografiere ich auch lustige Dinge. Mein Stil ist also eine Mischung aus all diesen Reizen, die beim Fotografieren auf mich einwirken. Was meinen Stil jedoch ausmacht, ist die endgültige Auswahl der Fotos. Diese Auswahl konzentriert sich oft auf sehr ausgewogene und komplexe Kompositionen, bei denen alles aufeinander abgestimmt ist. Deshalb versuche ich, mehr Kontrast in meine Arbeit zu bringen, indem ich einfachere Fotos hinzufüge, die mir trotz gewisser ästhetischer Mängel gefallen; Bilder, die die Sinne und Emotionen wecken.
Ihre Bilder sind voller Dynamik und Bewegung. Was verraten sie uns über die Länder und ihre Einwohner?
Die Dynamik in meinen Bildern gibt zweifellos eine Vorstellung vom Rhythmus des Landes, aber mein Ansatz ist nicht journalistisch. Ich denke nicht, dass sie die Menschen eines Landes genau darstellen, denn ich mache die Bilder nicht zu diesem Zweck. Lieber zeige ich einen Hauch von Geheimnis um die Menschen herum, ein Hinterfragen der besuchten Orte. Ich bin zutiefst von einem surrealistischen Ansatz inspiriert.
Was fasziniert Sie an der Straßenfotografie?
Es ist eine Mischung aus Neugier und der Herausforderung, ein Bild zu bekommen, das funktioniert. Es geht darum, mit unerwarteten Dingen umzugehen, die wir unterwegs entdecken. Am aufregendsten ist es, wenn eine Kleinigkeit, von der man vermutet hat, dass sie wichtig genug ist, um fotografiert zu werden, im fertigen Bild tatsächlich funktioniert.
Sie benutzen die Leica M10. Was sind ihre besonderen Vorteile?
Ähnlich wie bei einer Filmkamera schätze ich besonders den Leica Messsucher, der ohne elektronischen Bildschirm auskommt und die Welt so einfängt, wie man sie durch den Sucher sieht. Ich verwende ein 35er Summicron, und die Bilder haben eine Tiefe und eine Seele, die ich mit anderem Equipment nicht finde. Ich habe das Gefühl, dass sie die Empfindung, die ich beim Fotografieren hatte, sehr gut wiedergeben. Mir gefallen die Möglichkeiten bei schlechten Lichtverhältnissen und die hohe ISO-Wiedergabe ohne Qualitätsverlust. Ich habe lange nach einer Kamera gesucht, die zu meinem Ansatz passt und dabei keinerlei Minuspunkte aufweist, und ich habe sie schließlich gefunden. Allerdings wäre ich sehr neugierig, die M11 mit einem 35er Summilux zu testen, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte …
Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes Bild aus?
Ich würde sagen, dass ein gutes Foto mich fasziniert und Fragen aufwirft. Ein gutes Bild ruft über die Zeit verschiedene Gefühle und Verständnisebenen hervor. Als visueller Mensch schätze ich Kompositionen, die präzise und gut ausgewogen sind, aber vielleicht nicht perfekt, um ihnen mehr Charakter und Leben zu verleihen. Einige Fehler machen den Charme eines Bildes aus. Ein gutes Bild hängt auch vom Projekt und seinem Platz in der Geschichte ab. Letztendlich wird ein gutes Bild nur über die Zeit hinweg geschätzt, wenn wir es über die Jahre mit immer demselben Vergnügen betrachten können.
Geboren 1981 in Paris, ist Greg Mo ein autodidaktischer Fotograf, der sich auf Straßen- und Konzeptfotografie spezialisiert hat. Mit Sitz in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, konzentriert sich seine Arbeit hauptsächlich auf Asien. In den letzten zehn Jahren hat Mo die Straßen von Indien, Indonesien, Burma, Japan und China erkundet und fünf Fotobücher veröffentlicht, darunter Sleep in Cambodia und Ride in Cambodia. Derzeit arbeitet er an einem Buch über Straßenfotografie und lehrt die Herangehensweise und Philosophie der Straßenfotografie in Workshops in Asien, die auf Anfrage gebucht werden können. Erfahren Sie mehr über seine Fotografie auf seiner Webseite und seinem Instagram-Kanal.