Situationen und Porträts sind seine große Leidenschaft. Dabei spielt die Inszenierung für Ivo von Renner eine wichtige Rolle. Das einzelne Motiv wird präzise geplant und arrangiert. Bis zur Entstehung des fertigen Kunstwerks wird der Aufnahmeort sorgfältig ausgewählt und das natürliche Licht bei Bedarf mit zusätzlichen Lichtquellen ergänzt. Gleichzeitig fließen Zufälle beim Shooting ein und geben dem komponierten Bild die nötige Spontanität und Authentizität. Der extrovertierte Stil seiner Szenerien und Porträts kann als Selbstporträt des Hamburger Fotografen gelesen werden - eine polarisierende Mischung aus Inszenierung und Humor.
Von Renner, der für seine einzigartigen Perspektiven und seine Fähigkeit, das Unsichtbare sichtbar zu machen, bekannt ist, enthüllt in seiner neuesten Serie für das Schauspiel Stuttgart eine beeindruckende Kombination aus Technik, Ästhetik und fiktiver Erzählung: In zwölf Szenerien porträtiert er die Inszenierungen der Spielzeit 2023/24 mit insgesamt 44 Protagonist*innen. Seine Inszenierungen für das Schauspiel Stuttgart sind für ihn eine Renaissance. Mit seiner Leica SL2 und der Erfahrung aus nahezu fünf Jahrzehnten sind hier unverkennbar Bilder mit seiner Handschrift entstanden. Jeder Inszenierung wird dabei individuell Rechnung getragen und die Fotografien von Ivo von Renner erweitern sie um eine fotografische Facette. Für aufmerksame Betrachter*innen sind verschiedene Orte in Stuttgart wiederzuentdecken: Das ehemalige Hotel Schlossgarten wird in das „Hotel Savoy“ verwandelt, die Schauspielerinnen aus „Der große Wind der Zeit“ nehmen den BIX Jazzclub ein und die beiden Verkörperungen des unzufriedenen Personals aus „Zeit wie im Fieber“ (Uraufführung 11. November 2023) posieren vor Graffiti-Wänden unter der König-Karl-Brücke in Stuttgart-Bad Cannstatt.
Der aktuellen Serie für das Schauspiel Stuttgart stehen eine zweite Bühnenserie gegenüber: „Little Stages“ hat dreißig Jahre auf die Finalisierung gewartet, weil bisher kein Kleinbildobjektiv bei Blende 22 diese Leistung hatte. Die collagierten Szenerien bringen rennende, unbekleidete Menschen mit fantastischen Räumen zusammen. Die Raumsituationen und -dimensionen laden zum assoziativen Betrachten ein und eröffnen fiktive Welten.
Ergänzt werden die inszenierten Realitäten dieser beiden Serien durch das Thema der erotischen Momentaufnahme. Seine Leidenschaft, seit Mitte der siebziger Jahre neben Portraits, Menschen meist unbekleidet darzustellen und in Geschichten einzubinden, führte bereits seine erste Serie „Intimicy“ von 1975 bis ’77 in ein Schweizer Museum. Die Motive ziehen Betrachter*innen in die weitwinkeligen Räume seiner Vintagebilder. Von Renner startet mit dem Raum, dann kommt die Idee. Durch die Banalität der Situationen und die Wahl der Ausschnitte, lassen diese Serien in besonderem Maß Spielraum für Gedanken und regt die Fantasie der Betrachter*innen an. Von Renners Fähigkeit, mit Schattenwürfen und Unschärfen die Grenzen der Wahrnehmung herauszufordern, erzeugt eine einzigartige Atmosphäre, die den Betrachter in eine surreale und fesselnde Erfahrung hineinzieht. In dieser Serie „Night for night“ werden Tageslichtsituationen in eine inszenierte Kunstwelt verwandelt. Es sind Bühnenbilder in deren Dämmerung oder nachts durch partielle Beleuchtung nur das zum Vorschein gebracht wird, was für die Geschichte wesentlich ist.
„Das Schönste an der Fotografie ist immer noch, Menschen beim Arbeiten zu treffen, die das Leben schon zweimal gelebt haben und einem zeigen, was man bisher verpasst hat. Und mit denen, die gerade erst beginnen, das Erfahrene nochmal neu zu erfinden, denn ein neuer Blickwinkel lässt die Welt immer wieder anders aussehen. Die Begegnung ist alles. Das ist der Wert, den mir keiner nehmen kann und die Freude, die ich teilen möchte”, so von Renner.
Ivo von Renner hat nicht nur eine einzigartige Vision für die Welt der Fotografie, sondern auch die Fähigkeit, diese Vision mit beeindruckender technischer Präzision umzusetzen. Die Serie für das Schauspiel ist mit einer Leica SL2 und dem Objektiv Super-Elmar-M 1:3,8/18 mm fotografiert, die Serie "Little Stages" wurde mit einem Vario-Elmarit-SL 1:2,8/24-70 aufgenommen. Seine Arbeit geht an die Grenzen dessen, was mit einer Kamera möglich ist, und inspiriert Fotograf*innen und Kunstliebhaber*innen gleichermaßen, die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Gezeigt werden rund 40 Fotografien, die in limitierter Auflage käuflich erworben werden können. Die Ausstellung ist bis zum 13. Januar 2024 in der Leica Galerie Stuttgart (Calwer Straße 41) zu sehen. Die Galerie ist von Montag bis Freitag von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr und Samstag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Über den Fotografen:
Ivo von Renner (*1949 Hamburg) fotografiert seit Mitte der 1970er Jahre und beginnt mit Reportagen für das ZEIT Magazin und den Stern. Seine Art Menschen zu fotografieren, übernimmt Ivo von Renner für die Werbefotografie und ab 1978 setzt er hauptsächlich Szenen mit Laienmodellen in der Werbung um. Mit preisgekrönten Kampagnen erlebt er früh seinen Durchbruch und seither ist er mit seinem Team auf allen Kontinenten unterwegs.
Magazine haben viel über seine künstlerischen Arbeiten berichtet. Seine Bilder finden sich heute in Galerien, Museen, Kommunikation in jeglicher Form und haben alle namhaften Auszeichnungen und Preise gewonnen. In seinen Workshops lehrt er das Arrangieren von Bildern. Seine Frau Dagmar unterstützt als Muse, Managerin und Macherin die weltweiten Aktivitäten und Projekte.
Virtueller Rundgang
Leica Galerie Stuttgart
Samstag: 10:00 Uhr - 18:00 Uhr