
The Unexpected of the World Deserves Witnesses
Ein schicksalhaftes Geschenk
„Dieses Bild machte ich auf der Oxford Street, einem meiner liebsten Orte für Street Photography in London – aber auch einem der schwierigsten, da die Straße so belebt ist. Es war bereits Nachmittag, und die tief stehende Sonne blendete die Menschen, die Richtung Westen liefen. Zunächst fiel mir eine Frau auf, die auf einer Bank stand und sich suchend umblickte. Ich begann, ein paar Bilder von ihr zu machen. Binnen weniger Sekunden tauchte ein älterer Mann mit einem Gehstock auf. Auch er hielt sich die Hand vor die Augen, um sie vor dem Sonnenlicht zu schützen. Mit dem Gehstock in der Hand wirkte es, als hätte er eine auffällige, fast comichafte Nase. Dort stand er für einige Momente auf dem Gehweg, und ich konnte ich mich ganz auf den Hintergrund des Bildes konzentrieren. Dabei achtete ich vor allem darauf, dass sich niemand in dem geschäftigen Nachmittagstrubel überschnitt. Ich wählte einen Bildausschnitt, in dem jeder Charakter genug Raum bekam. Das Zusammenspiel der Farben war ein echter Volltreffer.“
Die meisten meiner Fotos entstehen an öffentlichen Orten in London und auf der ganzen Welt.
Matt Stuart
„Als ich 21 Jahre alt war, arbeitete ich in einem Callcenter für Kundenbeschwerden. Dort wurde ich an einem durchschnittlichen Arbeitstag von mindestens 100 Leuten angeschrien. Im Gegenzug versuchte ich, ihnen einen Deal anzubieten, sie zu beruhigen und sie wieder glücklich zu machen. Der Job hat mich wirklich runtergezogen. Eines Tages schenkte mein Vater mir zwei Fotobücher: von Henri Cartier-Bresson und von Robert Frank. Er hätte mir keine besseren Bücher schenken können. Sie halfen mir, trotz all der Beschwerden positiv zu bleiben. Von diesem Moment an lächelte ich bei jedem Anruf, den ich entgegennahm, denn ich hatte einen Entschluss gefasst: Ich würde den Rest meines Lebens der Fotografie widmen. Bald darauf kündigte ich den Job.“

Meine Bilder offenbaren etwas Bizarres über die Welt, auch wenn es nur eine kleine Geste ist.
Matt Stuart
„Mein fotografischer Stil ist ziemlich einfach: Ich nutze viel natürliches Licht und fotografiere in der Regel in Farbe. Dabei suche ich nach Momenten, die besonders seltsam oder witzig sind, wie die Illusion der komischen Nase auf meinem Bild Oxford Circus. Im Jahr 1998 kaufte ich mir meine erste Leica M6, nachdem ich einen Workshop mit dem Magnum-Fotografen Leonard Freed besucht hatte. Ich war überrascht, wie nah er mit seiner kleinen Leica an die Menschen herankam. Obwohl ich total pleite war, musste ich diese Kamera besitzen. Seitdem ist eine M6 oder MP mit einem 35-mm-Objektiv eine treue Begleiterin auf meinen Fotostreifzügen. Bei der Markteinführung der Leica M10 war ich mitbeteiligt und benutze seither auch dieses erstaunliche Modell.“