Plethora
Julio Bittencourt

Die Leica Galerie Wetzlar präsentiert die Ausstellung "Plethora" von Julio Bittencourt. Die Werke sind vom 19. September bis zum 6. November 2018 in Wetzlar zu sehen.

„Ich schätze die Dualität von Fotografie und spiele gern mit ihrem dokumentarischen und konzeptionellen Charakter: mit echten Themen, Menschen, Hintergründen arbeiten und gleichzeitig die kreativen Möglichkeiten des Mediums nutzen, um andere Realitäten zu schaffen.“

Die Großstadt und insbesondere das Verhältnis des einzelnen Menschen zu den komplexen Strukturen der Metropolen stehen im Mittelpunkt des aktuellen Projekts des brasilianischen Fotografen. Es setzt sich aus verschiedenen Kapiteln zusammen, die Themen wie Wohnen, Verkehrsmittel, Stadträume oder Freizeitvergnügen vorstellen. Dabei geht es vor allem um die Erfahrungen von Enge und Gleichförmigkeit in der Menschenmasse sowie die daraus resultierenden Gefühle von Einsamkeit und Anonymität. Dieser Idee entspricht auch der Titel des Projekts: Plethora bedeutet im medizinischen Sinne Überfluss oder Überproduktion von K.rperflüssigkeiten, im übertragenen Sinne lässt sich mit dem Begriff die Lebensrealität der Menschen in Mega-Städten assoziieren. Allein oder auch allein unter vielen: der einzelne Mensch verliert sich in der Masse. Für das in rund fünf Jahren erarbeitete Projekt nutzte Bittencourt verschiedene Leica Systeme: „Für jede der Serien war ein System ganz besonders geeignet. Im Gefängnis war es etwa die kleine, diskrete M mit einem 50er-Objektiv, im Schwimmbad die SL und ihr Autofokus und in eher kontrollierten Umgebungen wie im Capsule Hotel oder in der U-Bahn die S, ein Arbeitstier, das unglaubliche Dateien liefert.“ Im Spiel mit der Realität gestaltet der Fotograf seine Serien weniger mit den Mitteln der klassischen Bildreportage, sondern erzählt mit den Bildern höchst subjektive Geschichten. Ihre Wirkung entfalten sie vor allem durch das Gespür für Form und Farbe sowie durch eine einzigartige konzeptionelle Strenge. Das einzelne Motiv wird dabei jeweils in komplexe Bildserien eingefügt – der Fotograf versteht dieses Vorgehen als lyrisch, denn „ich sehe eine Fotografie als Wort und eine Serie als Gedicht. Ich mag Gedichte. Das trägt auch die Intention von Komplementarität in sich. Den Betrachter sich selbst erkennen lassen in dem einzelnen Bild, ohne die Möglichkeit zu verlieren, das Ganze in diesen enormen Bildern zu sehen und über das Kollektive und das Soziale zu reflektieren – die Plethora, in der wir alle leben.“

1980 in Brasilien geboren, wuchs Julio Bittencourt in São Paulo und New York auf. Sein Hauptinteresse gilt der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt in all ihren unterschiedlichen Formen und Kontexten. Seine Arbeiten wurden in Galerien und Museen weltweit präsentiert sowie in internationalen Magazinen wie Foam, GEO, Stern, TIME, Le Monde, The Wall Street Journal, C Photo, The Guardian, The New Yorker, Los Angeles Times, The Huffington Post und anderen veröffentlicht. Bittencourt hat zwei Bücher publiziert, Ramos und In a window of Prestes Maia 911 Building, für das er 2007 mit dem Leica Oskar Barnack Award ausgezeichnet wurde.