Von der Latenz der Bilder
Evelyn Richter
Leica Gallery Dusseldorf

Evelyn Richter versteht es meisterhaft, alltägliche Momente auf Film zu bannen – die Zeit für einen Augenblick anzuhalten, sich im Raum zu orientieren, die Normalität perfekt in Szene zu setzen und festzuhalten. Ihre Kompositionen bestechen durch Leichtigkeit, durch die Verbindung aus Spontaneität und sorgfältigen Arrangements mit dem Gespür für den richtigen Moment.

Evelyn Richter, 1930 in Bautzen geboren und mit 91 Jahren 2021 in Dresden verstorben, ist vor allem bekannt für ihre Fotos der DDR, in denen sie die Realität der Republik schonungslos und doch mit so viel Feingefühl abbildete – sie zeigte, wie die FAZ schrieb, „die Rückseite der Utopie“, und es sind vor allem diese Bilder, die lange Zeit die öffentliche Wahrnehmung von Evelyn Richter bestimmten.

2013 entdeckte man in ihrem Haus rund 70 Filme entdeckt, die sie aufgrund ihres Alters nicht mehr selbst entwickeln konnte. Es waren Aufnahmen von Reisen nach New York, Moskau, Venedig und London, aber auch ins beschauliche Wörlitz und in die rumänische Region Maramureş, entstanden in den 2000er Jahren. Sie zeigen Menschen in stillen Momenten, im Diner, Museum oder der Metro, außerdem vereinzelte Landschaftsaufnahmen – und dazwischen immer wieder Selbstportraits der Fotografin, oftmals verschleiert durch Spiegelungen und Licht-Schatten-Spiele. Diese neuen Bilder sind eine Erweiterung des bekannten Schaffens von Evelyn Richter – qualitativ wie quantitativ. Zwischen diesen und ihren früheren Bildern mögen 20, 30, gar 40 Jahre liegen, und doch zeigen sie, dass sich die Menschen in ihren stillen, unbeobachteten Momenten nicht verändert haben. Und auch Richters Herangehensweise ist unverändert: die der unauffälligen Betrachterin, die ausgewählte, echte Momente festhält, dabei aber die Fotografie stets als Kunst versteht und einsetzt.

Die 38 Bilder umfassende Ausstellung „Von der Latenz der Bilder“, die man, wie Agnes Matthias im gleichnamigen Buch schreibt, weniger als Spätwerk Evelyn Richters begreifen solle, „denn vielmehr als Ausdruck ihrer ungebrochenen Neugier und Offenheit für die Menschen und ihre lebensweltliche Situation – ganz gleich, wo sie auf sie gestoßen ist“.

Virtueller Rundgang