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Deserves Witnesses

Der Radioamateur auf Empfang:
Was mochten die aktuellen Informationen, die neuesten Schlager gewesen sein, die den Hund hier hochkonzentriert zuhören ließen? Um 1925 fotografierte der legendäre Konstrukteur und Erfinder der Ur-Leica, Oskar Barnack (1879–1936), den Familienhund als Radioamateur – so hat Barnack die Aufnahme auf der Rückseite selbst beschriftet. Anders als die bekannte Werbefigur des Plattenlabels His Master’s Voice, für die der britische Maler Francis Barraud bereits 1899 seinen Hund Nipper vor dem Trichter eines Grammophons verewigt hatte, agierte Barnacks Terrier ganz selbstbewusst vor der Radiokonstruktion. Ausgestattet mit dem damals noch notwendigen Kopfhörer und einem kleinen Zwicker vor den Augen, stemmte sich der kluge Hund neugierig auf den Detektorempfänger. Und schien gar nicht zu bemerken, dass er von seinem Herrchen für die Ewigkeit porträtiert wurde.

Kleines Negativ – großes Bild
Oskar Barnack
Von Anfang an hat der geniale Ingenieur Barnack mit den von ihm entwickelten Kameras eigene Fotografien erstellt. Bereits im März 1914 hatte er in seinem Werkbuch vermerkt: „Lilliput-Kamera fertiggestellt“. Gemeint ist damit jener Prototyp, heute als Ur-Leica bekannt, der die Fotografiegeschichte revolutionieren sollte. „Kleines Negativ – großes Bild“: Mit dieser Devise hatte er die erste Kamera für einen 35-mm-Kleinbildfilm entwickelt. Statt mühsamer Arbeit mit sperrigen Bildplattenkameras war nun spontanes Fotografieren mit dem perfekten Kleinbildapparat möglich.
Ein Meilenstein, den der umtriebige Ingenieur entwickelt hatte und mit dem für das Unternehmen ein ganz neues Kapitel begann. Seit 1911 war er Mitarbeiter der Leitz-Werke, als Fotografiepionier konzentrierte er sich ganz auf die fotografische Innovation eines neuen Kameratyps. Und auch die eigenen Aufnahmen und Bildserien sind heute legendär. So gilt beispielsweise seine Dokumentation der Hochwasserkatastrophe von 1920 in Wetzlar als erste Fotoreportage, die mit einer Kleinbildkamera entstanden ist. Dass er auch seine Kinder und den Familienalltag mit den kontinuierlich weiterentwickelten Kameras festhielt, belegen zahlreiche erhaltene Alben. Die Diskussion darüber, ob die Kleinbildkamera in Serie gefertigt und auf den Markt gebracht werden sollte, hatte Ernst Leitz II im Juni 1924 mit dem berühmt gewordenen Satz beendet: „Ich entscheide hiermit: Es wird riskiert.“ Mit einer dieser ersten Kameras wurde auch Der Radioamateur aufgenommen – vor gut einem Jahrzehnt wurde das Bild zusammen mit vielen weiteren Motiven in einem Album wiederentdeckt, das aus dem Nachlass der Enkelin Barnacks stammt.

Der Radioamateur erzählt nicht nur vom Humor des Bildautors und dem Spaß an der Inszenierung,
sondern auch von seinen vielfältigen Interessen an innovativen Erfindungen. Auch die Rundfunkentwicklung begann Mitte der 1920er-Jahre, Fahrt aufzunehmen. So gilt als offizielle Geburtsstunde des deutschen Rundfunks der 29. Oktober 1923 – an diesem Tag wurde die erste Unterhaltungssendung aus dem Berliner Vox-Haus ausgestrahlt. Die Familie Barnack nahm offenbar ganz früh an den Radioinnovationen teil. Rundfunk und Fotografie sollten rasch zu den wichtigsten Massenphänomenen der Zeit werden. Daher hat die Aufnahme des Radioamateurs einen hohen Symbolwert – für die Umbrüche einer Zeit und genauso für die geniale Weitsicht des Erfinders Oskar Barnack.
