Natela Grigalashvili – The Final Days of Georgian Nomads
The Leica Gallery Zingst zeigt Arbeiten der georgischen Fotografin Natela Grigalashvili

Seit 2013 erkundet die georgische Fotografin Natela Grigalashvili das Leben der Nomaden in Adscharien, die wie viele dörfliche Gemeinschaften ums Überleben kämpfen. In Zeiten der Globalisierung ist ihre Serie ein prägnantes Dokument der Bewahrung alter Werte und Traditionen, von Kultur und Identität. Mit ihrer Serie zählte die Fotografin 2023 zu den zwölf Finalistinnen und Finalisten auf der Shortlist des international renommierten Fotowettbewerbs Leica Oskar Barnack Award (LOBA).

„Ich möchte das Leben dieser Menschen in meinen Fotos darstellen, die Traditionen bewah­ren, die mit dem Bevölkerungsrückgang und dem Einzug der Globalisierung verschwinden, und die Dinge retten, die es vielleicht morgen nicht mehr gibt“, sagt die Fotografin über ihr Projekt. Seit zehn Jah­ren reist die georgische Fotografin in die verschie­densten Teile der Region Adscharien. Mehrmals im Jahr wechseln die Nomaden ihren Wohnsitz, ziehen je nach Schneeschmelze die Berge hinauf und hinunter, von der Alm ins Tal, leben von Vieh­zucht und Ackerbau. Viel körperliche Arbeit und wenig Chancen für die junge Generation – das Nomadenleben wird schwieriger. „In den letzten zehn Jahren haben sich die Region und das Leben der Menschen hier drastisch verändert. Diese Veränderungen unterscheiden sich nicht von dem, was in den übrigen ländlichen Gebieten des Landes oder allgemein in der Welt vor sich geht. Wie anderswo auch verlassen viele Nomaden die Berge und ziehen in die Städte oder ins Ausland.“, so Natela Grigalashvili.

Die Georgierin kam 1965 selbst in einem Bergdorf zur Welt. Sie kennt die Probleme des Leerstands und Verfalls, das Wegbrechen der Infrastruktur. Jedes Mal, wenn sie in ihr Dorf komme, sagt sie, sei es schmerzhaft, die verlassenen Häuser zu sehen, mit denen sie Erinnerungen verbinde. Ihr Verständnis für Gemeinschaften und die Trauer über den Prozess ihres Verschwindens bilden auch die Grundlage für diese Serie. Sie sagt: „Mit der Fotografie versuche ich, in die Vergangenheit meiner Kindheit und die Gefühle, die ich hatte, als ich im Dorf aufwuchs, zurückzukehren.“

Frauen beim Buttern am Dorfbach, ein junger Kuhhirte auf der Alm, eine Wäscheleine im Wind – ihre Bilder fangen den Rhythmus, die Harmonie und Schlichtheit des Nomadenlebens in Verbin­ dung mit der Schönheit der Natur ein. Es sind fast märchenhafte Aufnahmen, durchzogen von perfekter stilistischer Eleganz. Farbe, Licht, Nebel, Dynamik. Alle Elemente wirken wohldurchdacht und komponiert, erinnern an eine malerische Kulisse aus einem Film, der eine wahre Geschichte erzählt. Es ist eine Geschichte über Traditionen, die als Glaube und Idee von Generation zu Genera­ tion weitergegeben werden. Gleichzeitig lässt Grigalashvili die Betrachtenden auf ihren Foto­ grafien die Gefahr des Verlusts spüren, die Wehmut darüber, dass ein System der Anpassung zu einem drohenden Verfall von Vielfalt und Gemeinschaf­ ten führt. Und so möchte man ihre Bilder wie zum Abschied noch einmal umarmen. Für einen letzten gemeinsamen Tanz.