Die Decke über Berlin
"Alles ist ausgebremst, eingefroren, verunsichert."
Nur das Licht, das ist klar und kantig wie eh und je zu dieser Jahreszeit. Zarte Frühlingsgefühle kollidieren mit dem Stillstand der Dinge. Es fällt mir schwer, innezuhalten. Ich darf noch spazieren, daher mache ich mich auf und schaue mir meine Stadt an. Vieles erkenne ich wieder, aber manches ist auch befremdlich anders. Im Radio höre ich den Begriff „Zwischenraumkompetenz“, das ist das, was wir nun bräuchten.
Mit dem Dazwischen klarkommen. Resilienz, das könnte das Wort des Jahres werden. Wir befinden uns in einem Schwebezustand, und je länger ich durch diese reduzierte Stadt streife, desto mehr freue ich mich über die Stille, die freundlich zunickenden Nachbar*innen an den Fenstern, das laute Gezwitscher der Vögel, den Platz auf den Bürgersteigen, die Menschen mit Zeit. Aber auch sie sind da: die Grübeleien, das Gefühl, abgeschnitten zu sein vom Rest der Welt, die täglich aktualisierten Zahlen. Mein Vater gehört zur Risikogruppe, ich mache mir Sorgen. Wann kann ich meine Eltern wieder besuchen? Was werden der Abstand und das Misstrauen wohl mit uns machen? Wo steuern wir Menschen hin?
Es liegt eine Decke über Berlin und vielleicht auch über der Welt, aber sie ist mir zum Glück noch nicht auf den Kopf gefallen. Ich versuche, ihn aufrecht zu halten und lasse mich los, in diesen ungewöhnlichen Schwebezustand hinein.
Leica M10 Monochrom
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